Resümee

Ein halbes Jahr lang habe ich mich nun im Seminar und auch außerhalb der Universität intensiv mit dem Thema Depression und besonders deren künstlerischen Vermittlung beschäftigt.

Meine Erkenntnisse auf einer so öffentlichen Plattform wie einem Blog darzustellen, fiel mir nicht leicht. Oft fehlten mir die richtigen Worte. Einerseits wollte ich mich im Internet nicht zu emotional auf die Krankheit einlassen, andererseits aber auch nicht mit einem zu wissenschaftlichen Blick an ein so sensibles Thema herangehen.

Ich hoffe ein Mittelweg ist mir gelungen.

Was nehme ich mit aus dem letzten Semester? Auf jeden Fall ein besseres Verständnis für das Krankheitsbild, für Betroffene und Angehörige.

Die Darstellung der Depression in Kunst und Medien ist durchaus ambivalent und muss daher stets kritische betrachtet werden.
Jedoch habe ich bei meiner Recherche festgestellt, dass Depression als Krankheit in der medialen Verbreitung immer präsenter ist und dadurch auch ernster genommen wird. Es sind einige Filme und Romane in den letzten Jahren dazu erschienen und weitere befinden sich in der Produktionsphase. Das Thema wird langsam enttabuisiert.

Schattenzeit

Nachdem ich auf diesem Blog zwei Spielfilme vorgestellt habe, welche die Krankheit Depression thematisieren, möchte ich heute über den Dokumentarfilm Schattenzeit von Gregor Theus schreiben.

Der einstündige Film begleitet Olaf, Maria und Mona über zwei Jahre bei ihrem Kampf gegen die Krankheit. Es ist die erst Langzeitdoku dieser Art überhaupt. Schattenzeit ist jedoch kein Film über die Krankheit, sondern primär über Menschen. Es wird aus Sicht der Betroffenen gefilmt und die Dokumentation zeigt durch ungeschminkte Innenansichten Vorgänge, die von Außen nicht sichtbar sind. Theus hat sich bewusst gegen eine kommentierende Off-Stimme entschieden. Alles was Olaf, Maria und Mona sagen bleibt roh und unbearbeitet stehen. Das gibt dem Film eine große Unmittelbarkeit.

Die Betroffenen werden bei ihrem Aufenthalt in der Beliner Charité begleitet. Medikamente gehören zu ihrem Alltag, Gespräche mit Therapeuten, Tanz und auch eine besondere Form der Behandlung – die Elektrokonvulsionstherapie.

In einem Interview, das im Bonusmaterial der DVD enthalten ist, sagt Theus, dass er durch den Film eine Enttabuisierung des Krankheitsbildes bezwecken wollte. Weil in Deutschland nicht über die Krankheit gesprochen wird, merken viele Betroffene gar nicht erst, dass sie wirklich krank sind und ihnen geholfen werden kann. Dadurch kommt es zur Isolation und Gesellschaftlicher Ausgrenzung. Dies führt zu einem Teufelskreis, der nur schwer durchbrochen werden kann. Der Film soll dazu beitragen, für die Konsequenzen dieses Tabus zu sensibilisieren. Ein weiteres wichtiges Anliegen war Theus, dem Zuschauer ein ehrliches Bild der Krankheit aufzuzeigen, ohne belehrend zu wirken. Das ist ihm gelungen. Die Protagonisten werden nicht zur Schau gestellt oder die Krankheit ausgeschlachtet.
Der Film dramatisiert nicht, aber er beschönigt auch nicht. Er zeigt Hoffnung, aber auch die harte Arbeit und den langen Weg, den ein Patient beim Heilungsprozess durchhalten muss.

Theus hat den Film alleine finanziert und produziert. Alle drei Patienten, die maßgeblich in der Dokumentation mitwirkten, sind heute auf dem Weg der Besserung.

Robert Enke

Robert Enke

Vor fünf Jahren beging der Fußballnationaltorwart am 10. November 2009 Selbstmord. Jahrelang litt er an Depressionen, vor der Öffentlichkeit hatte er seine Krankheit jedoch geheim gehalten. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass Enke schon seit 2003 mehrfach wegen Depression in psychatrischer Behandlung war. Sein Suizid löste europaweit Entsetzen aus. Die Gedenkfeier fand 5 Tage später vor rund 40.000 Trauergästen statt und wurde in Deutschland auf fünf Fernsehkanälen live übertragen. Kurz nach Enkes Tod, gab der Fußball-Profi Andreas Biermann bekannt, dass er einen Monat zuvor einen Selbstmordversuch unterommen hatte und sich wegen Depressionen in stationärer Behandlung befinde. Der Tod des Nationaltorwarts Robert Enke habe ihn dann zum Schritt an die Öffentlichkeit bewogen. Andreas Biermann nahm sich am 18. Juli 2014 ebenfalls das Leben.

Robert Enkes Witwe Teresa Enke hat die Robert-Enke-Stiftung begründet, deren Ziel es ist, der Krankheit ihre Mystik zu nehmen, damit sich Betroffene trauen, darüber zu reden. Zweck der Stiftung ist die Förderung von Maßnahmen und Einrichtungen, die der Aufklärung über die Krankheit Depression und der Erforschung oder Behandlung dieser Krankheiten dienen.

Anlässlich des fünften Todestages Enkes, präsentierte das Niedersächsische Landesmuseum eine Ausstellung zum Thema „ROBERT gedENKEn“. Gezeigt werden Erinnerungsstücke aus der Karriere des Nationaltorhüters, Trikots, Handschuhe, Briefe. Zwei Räume der Ausstellung sollen vermitteln, wie Depression und Schizophrenie sich „anfühlen“, dazu werden optische und visuelle Reize gesetzt.

Das Berliner Maxim-Gorki-Theater verarbeitete den Tod und das Leben mit Depression von Robert Enke in dem Stück Demenz Depression und Revolution. Da dies ohne das Einverständnis von Robert Enkes Witwe Teresa geschah, klagte diese gegen jede weitere Aufführung des Theaterstückes, da sie die Rechte am Aufführen und Verfilmen habe. Die Auführung des Stückes wurde daraufhin eingestellt.

Mängelexemplar

Mängelexemplar ist ein Roman der Autorin Sarah Kuttner, der das Thema Depression beandelt.

Karo Herrmann, die Protagonistin ist eine überdrehte Endzwanzigerin, Eventberaterin, die typische Vertreterin der Großstadtavantgarde.

Als sie jedoch ihren Job verliert und ihre Beziehung in die Brüche geht, fällt sie in ein Loch. Sie bekommt Herzrasen, Schweißausbrüche, Panikattacken. Zuerst versucht sie ihre Beschwerden wegzulächeln. Doch als auch das nichts mehr hilft, muss sich sich eingestehen, dass sie krank ist. Karo hat Depressionen.

Damit bietet sie Identifikationsfläche für die heutige Generation junger Frauen in ihren Zwanzigern, dich sich in der sogenannten Quarterlife-Crisis befinden, als auch für eine Generation früher – Karos Mutter ist auch von der Krankheit betroffen.

Kuttner beschreibt die Symptome der Panikattacken, Angstzustände und Depression so detailliert, dass man meinen könnte, sie würde in dem Roman ihre eigenen Erfahrungen verarbeiten. Laut eigener Aussage war sie jedoch nie von einer Depression betroffen. Im Interview mit der Zeitschrift Brigitte erzählt sie jedoch von selbst erlebten Panikattacken, die ihr das Schreiben darüber vereinfacht hätten.
Auf die Frage, ob ihr Buch Betroffenen helfen könne, sagt sie:

Die einzige Botschaft, die das Buch haben könnte, ist: Hilfe zulassen! Niemand muss die Angst aushalten und durch die Hölle gehen. Depressionen und Angststörungen sind behandelbar. Es kann enorm beruhigen, wenn man einfach nur zulässt, dass sich ein Arzt um einen kümmert. Das nimmt einem das Gefühl, verrückt zu sein.

Zum Stil des Buches kann man nun sagen was man will. Mir persönlich ist er zu aufgedreht, zu erzwungen cool.
Aber eins muss man Sarah Kuttner lassen: Nach der Lektüre ihres Buches versteht man besser, wie Depressive ticken.

Mängelexemplar wird derzeit verfilmt und soll noch 2015 in die Kinos kommen. Die Rolle der Karo wird von Claudia Eisinger übernommen.

Was bleibt

Der Film Was bleibt handelt – ebenso wie der vor einigen Einträgen vorgestelle Film Helen – von einer Mutter und Ehefrau, die an Depressionen leidet. Der Zuschauer bekommt diesmal jedoch nicht den Ausbruch der Kankheit mit.

Gitte beschließt nach 30 Jahren Krankheit ihre Medikamente abzusetzen, um wieder mit allen Sinnen am Familienleben teilhaben zu können. Ihr Mann hat gerade seinen erfolgreichen Verlag verkauft, um sich in den Ruhestand zu begeben, ihre Söhne Marko und Jakob stehen am Anfang vielversprechender Karrieren als Autor und Zahnarzt.

Als Gitte ihrer Familie von dem Entschluss die Medikamente abzusetzen erzählt, stößt sie nicht wie erhofft auf euphorische Freude, sondern auf Kritik. Das über Jahre hinweg eingespielte System gerät ins Wanken. Ab sofort wird sie als lebende Zeitbombe gesehen, die in jedem Moment explodieren kann. Es steht die Frage im Raum, ob man der Mutter nun all die verschwiegenen Geheimnisse zumuten kann oder nicht. Mann und Söhne laufen wie auf Eierschalen um sie herum und versuchen weiterhin schlechte Neuigkeiten von ihr fern zu halten. Gitte spürt langsam die Isolierung von ihrer Familie.

Nach und nach fängt das heile Familienleben an zu bröckeln. Der in Berlin lebende Marko gesteht, dass er und seine Frau inzwischen getrennt leben. Zahnarzt Jakob verliert sich immer mehr in Schulden, seine Praxix steht vor dem finanziellen Ruin.
Als sich schließlich herausstellt, dass Mann Günter seit zwei Jahren eine neue Beziehnung führt, mit der er nun auch in den Urlaub fahren möchte, bricht das hübsche Familienmodell in sich zusammen.
Gitte verschwindet spurlos.

Corinna Harfouch spielt die depressive Gitte ohne großes Drama und Hysterie. Wüsste der Zuschauer nicht von ihrer Krankheit, er würde es nicht merken. Nur manchmal, wenn ihr Lächeln bricht, oder wenn sie ins Leere starrt, tritt ihre Krankheit hervor.
Es ist eine erfrischende Abwechslung zu der sonstigen filmischen Darstellung psychisch Kranker, die oft mit wirrem Blick um sich schlagen. Gerade die konzentrierte Ruhe, die Gitte ausstrahlt, geht unter die Haut.
Einerseits kann der Zuschauer verstehen, dass sich die Familie Sorgen macht und Ärzte konsuliteren möchte, bevor die Mutter ihre Tabletten einfach absetzt, andererseits wirkt die Sorge stellenweise recht aufgesetzt. Viel zu eingespielt ist das Leben mit der durch Psycho­phar­maka ruhig gestellten Mutter.

Was bleibt von einer Familie, die jahrelang mit dieser Krankheit konfronitert wurde und sich arrangiert hat, wenn sich plötzlich alles ändert?

Antworten findet der Film nicht. Das muss er aber auch nicht.

Vincent van Gogh

Vincent van Gogh Selbstportrait
Selbstportait. 1889

Eine weitere berühmte Persönlichkeit, die an einer psychischen Erkrankung litt, ist der niederländische Maler und Zeichner Vincent van Gogh. Er wurde 1853 in Groot-Zundert in der Provinz Noord-Brabant geboren und gilt als einer der Begründer der Modernen Malerei. Über 2000 Bilder schuf er, verkaufte zu Lebzeiten jedoch nur ein einziges. Mittlerweile werden seine Werke für Rekordsummen versteigert.

Depression als Krankheit wurde Zeit seines Lebens zwar nicht bei ihm diagnistiziert, Ärzte und Psychologen gehen heute jedoch davon aus, dass er an einer bipolaren Störung litt. Immer wieder wurde van Gogh von depressiven Schüben heimgesucht. Schon seine Familie war belastet. Ein Bruder van Goghs beging Suizid, der andere Bruder und die Schwester waren ebenfalls psychisch krank.

Seine Krankheit manifestierte sich im Dezember 1888, als er sich im Streit mit einem Freund sein Ohr abschnitt. Daraufhin wurde bei ihm fälschlicherweise  Epilepsie diagnostiziert. Ein Jahr später schuckte van Gogh giftige Farbe, was als Selbstmord gewertet werden kann. Nach mehreren Klinikaufenthalten, zog er schließlich nach Frankreich. Im Juli 1890 schoss sich van Gogh selbst in den Bauch und starb zwei Tage später an den Verletzungen. Ob es sich dabei um Selbstmord handelt oder nicht, ist bis heute umstritten. Einige Forscher vertreten die Ansicht, die Tat sei lediglich ein Hilfeschrei gewesen, andere gehen von einem Unfall aus.

Sein früher, tragischer Tod, seine Krankheit und sein großer künstlerischer Erfolg machten ihn postum zum Inbegriff des „verkannten Genies“ und boten Stoff für zahlreiche Verarbeitungen in Literatur, Film und Musik. Er gilt als der bekannteste und beliebteste Maler überhaupt.

An der Schwelle zur Ewigkeit. 1890
An der Schwelle zur Ewigkeit. 1890

Virginia Woolf

VirginiaWoolfBei Künstlern mit Depressionen ist mir sofort die englische Schriftstellerin Virginia Woolf eingefallen. Zeitlebens litt sie unter der psychischen Krankheit und begang schießlich im Alter von 59 Jahren Selbstmord.

Sie wuchs als hochbegabte Gelehrten-Tochter auf und wurde von ihren Eltern sehr gefördert – sie hatte sogar einen eigenen Hauslehrer.

Als sie mit 13 Jahren ihre Mutter verlor, stürtze sie in ihre erste psychische Krise. Zu dieser Zeit wurde Virginia auch von ihrem Halbbruder mehrfach sexuell missbraucht. Als Erwachsene sagte sie später, dass sie seitdem keine Freude mehr an ihrem Körper empfinde. Dies war wahrscheinlich einer der Auslöser für ihre manisch-depressive Erkrankung, die man heute unter dem Namen Bipolare Störung kennt.

Wenige Monate nach der Heirat mit dem Literaturkritiker Leonard Woolf, unternahm Virginia Woolf 1913 ihren ersten Selbstmordversuch.
Dennoch bezeichnete sie ihre Ehe als glücklich. In Leonard hatte sie einen verständnisvollen und gebildeten Ehemann gefunden, der ihre Beziehungen zu anderen Frauen mit Gelassenheit sah und ihre Frigidität ihm gegenüber ertragen konnte.

1922 lernte sie die Schriftstellerin Vita Sackville-West kennen. Aus der freundschaftlichen Beziehung entwickelte sich eine dreijährige enge Liebesbeziehung, die wieder in Freundschaft überging und bis zu Virginias Tod Bestand hatte.

Beruflich war Virginia Woolf sehr erfolgreich. Sie schrieb zahlreiche Essays und Rezensionen, 1915 erschien ihr erster Roman, mit den Jahren folgten viele weitere. Nahezu zeitgleich mit James Joyce entwickelte sie die Darstellungsform des inneren Monologs, ihr Londoner Haus wird Treffpunkt eines Künstlerzirkels.

Doch Woolfs künstlerischer Erfolg konnte ihre Krankheit nicht heilen. Immer wieder erlitt sie depressive Schübe und konnte tagelang nicht arbeiten. Am 28. März 1941 ertränkte sie sich.

Virginia Woolf gilt als eine der wichtigsten Autorinnen der klassischen Moderne. Ihre emanzipatorischen Werke wurden und werden immer wieder im feministischen Kontext zitiert.

2001 erschien der Roman Die Stunden von Michael Cunningham. In scheinbar unabhängige Handlungsstränge werden drei Frauen aus verschiedenen Generationen vorgestellt, deren Leben mit Woolfs Roman Mrs Dalloway in Bezug stehen.
Ein Jahr später wurde der Roman unter dem Namen The Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit mit Nicol Kidman in der Rolle Virginia Woolfs verfilmt. Kidman bekam für die Darstellung der depressiven Woolf den Oscar in der Kategorie Beste Hauptdarstellerin.

Brief an mein Leben

Miriam Meckel ist DIE Überfliegerin schlechthin. Sie studierte Publizistik und arbeitete anschließend bei RTL und WDR als Reporterin und Moderatorin. An der Universität Münster bekommt sie 1999 einen Lehrstuhl für Publizistik und Kommunikationswissenschaft und gilt in dieser Zeit als jüngste Lehrstuhlinhaberin Deutschlands. Zwei Jahre später wird sie Regierungssprecherin und Staatssekretärin von NRW, nochmal eineinhalb Jahre später macht Peer Steinbrück sie zur Staatssekretärin für Europa, Internationales und Medien. Meckel ist zu diesem Zeitpunkt erst Mitte 30, gilt aber als Strippezieherin der Medienpolitik NRWs.
Von Berlin aus arbeitet sie für die PR-Beratung Brunswick, als sie 2005 als Professorin und Doktorin an das Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen kommt.

Sie hält auf der ganzen Welt Vorräge, schreibt Fachartikel, tritt als Expertin auf und moderiert ihre eigene politische Talkshow. Sie schreibt Bücher, bloggt und twittert.
Eine Karriere im Schnelldurchlauf. Daneben führt sie eine Fernbeziehung.

Doch dann kommt der Zusammenbruch. Bei Miriam Meckel wird ein schwerer Erschöpfungszustand und eine Infektion der Stoffwechselorgane diagnostiziert.

Sie lässt sich in eine psychische Klinik im Allgäu einweisen und verbringt dort fünf Wochen. Über diese Zeit hat Meckel das Buch Brief an mein Leben geschrieben, welches die Dokumentation ihres Klinikaufenthalts darstellt.

Das Buch Brief an mein Leben ist die Flucht nach vorne. Ihr ist natürlich bewusst, dass ihre Krankheit in den Medien ausgeschlachtet wird, da sie eine Person des öffentlichen Lebens ist. Daher entscheidet sie sich für die Konfrontation nach dem Motto Angriff ist die Beste Verteidigung.

Das eigene Leben und die Krankheit so öffentlich zu machen ist bestimmt nicht leicht, aber man darf nicht vergessen, dass hinter jedem verletzlichen Satz sicherlich ein großen Maß an Kalkül steckt.

Mir persönlich hat das Buch nicht gefallen. Zu ausgeprägt ist ihr Bedürfnis nach Selbstdarstellung. Streckenweise liest es sich wie ein wissenschaftlicher Aufsatz, sie zitiert gerne und viel wichtige und intellektuelle Persönlichkeiten, erzählt ausführlich, was sie alles in ihrem Leben schon erreicht hat und lässt den Leser wissen, dass sie natürlich nur klassische Musik hört. Ich denke auch nicht, dass andere Leute, die an Burn-Out leiden sich mit Meckel identifizieren können und aus ihrem Bericht Mut und Kraft schöpfen können.

Das Buch soll nun auch als ZDF-Fernsehdrama verfilmt werden, mit Marie Bäumer in der Rolle Miriam Meckels und Christina Hecke als deren Lebensgefährtin Anne Will. Ich bin gespannt, wie diese Verfilmung aussehen wird.

Melancholie

Mit diesem Blogeintrag möchte ich einen kleinen Exkurs in die Melancholie machen. Ich habe schon oft gehört, dass die Depression in 20. Jahrhundert die Melancholie abgelöst hat. Melancholie wurde in 19. Jahrhundert nicht als Krankheit wahrgenommen, sondern eher als Gemütszustand bezeichnet. Vor allem die Romantiker Anfang/Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigten sich ausführlich mit den Motiven der Einsamkeit, Weltschmerz, Melancholie und Traurigkeit.

Laut Duden ist Melancholie ein „von großer Niedergeschlagenheit, Traurigkeit oder Depressivität gekennzeichneter Gemütszustand“.

Hier möchte ich euch nun zwei Kunstwerk vorstellen, die das Motiv der Melancholie verarbeiten.

Melencholia I ist ein Kuferstich des Nürnberger Künstlers Albrecht Dürer aus dem Jahr 1514. Das Werk ist eins seiner drei Meisterstiche. Die anderen beiden Bilder heißen Ritter, Tod und Teufel und Der heilige Hieronymus im Gehäus.

Melencolia I

Eine Interpretation des Bildes ist, es als Allegorie der Melancholie und Depression zu sehen. Das Bild entstand zwischen den Epochen des Mittelalters und der Renaissance. Im Mittelalter war man der Ansicht, dass jeder Mensch von einem der vier Temperamente dominiert wird. Der Melancholiker stellt eines dieser vier Temperamente dar und man glaubte, dieser würde am ehesten dem Wahnsinn verfallen.
In der Renaissance hingegen wurde die Melancholie mit dem künstlerischen Genie in Verbindung gebracht. Die Melancholie ist dabei jedoch keinesfalls behindernd für den Künstler. Sie ist eher förderlich für den künstlerischen Prozess, da er Inspiration aus ihr schöpfen kann.

Über 300 Jare später nimmt der Dichter Gottfried Keller in der fünften Strophe seines Gedichts Melancholie auf den Stich Dürers Bezug:

Sei mir gegrüßt, Melancholie,
Die mit dem leisen Feenschritt
Im Garten meiner Phantasie
Zu rechter Zeit ans Herz mir tritt!
Die mir den Mut wie eine junge Weide
Tief an den Rand des Lebens biegt,
Doch dann in meinem bittern Leide
Voll Treue mir zur Seite liegt!

Die mir der Wahrheit Spiegelschild,
Den unbezwungnen, hält empor,
Daß der Erkenntnis Träne schwillt
Und bricht aus dunklem Aug hervor;
Wie hebst das Haupt du streng und strenger immer,
Wenn ich dich mehr und mehr vergaß
Ob lärmendem Geräusch und Flimmer,
Die doch an meiner Wiege saß!

Wie hängt mein Herz an eitler Lust
Und an der Torheit dieser Welt!
Oft mehr als eines Weibes Brust
Ist es von Außenwerk umstellt,
Und selbst den Trost, daß ich aus eignem Streben,
Was leer und nichtig ist, erkannt,
Nimmst du und hast mein stolz Erheben
Zu Boden allsobald gewandt,

Wenn du mir lächelnd zeigst das Buch
Des Königs, den ich oft verhöhnt,
Aus dem es, wie von Erz ein Fluch,
Daß alles eitel sei! ertönt.
Und nah und ferne hör ich dann erklingen
Gleich Narrenschellen ein Getön –
O Göttin, laß mich dich umschlingen,
Nur du, nur du bist wahr und schön! –

Noch fühl ich dich so edel nicht,
Wie Albrecht Dürer dich geschaut:
Ein sinnend Weib, von innerm Licht
Erhellt, des Fleißes schönste Braut,
Umgeben reich von aller Werke Zeichen,
Mit milder Trauer angetan;
Sie sinnt – der Dämon muß entweichen
Vor des Vollbringens reifem Plan

In der letzten Strophe erkennt man, dass auch hier die Melancholie als wichtiger Teil des künstlerischen Schaffensprozess gesehen wird.

Diese romantische Form der Melancholie, wie sie gerne in Kunst und Literatur der vergangenen Jahrhunderte dargestellt wird, hat nun nichts mehr mit dem heutigen Verständnis der Krankheit Depression zu tun.

To Write Love On Her Arms

Heute möchte ich euch eine besodere Organisation vorstellen, die versucht depressionskranken Menschen zu helfen.

To Write Love On Her Arms (TWLOHA) ist eine US-amerikanische Non-Profit-Organisation aus Florida, welche mittlerweile auch in Deutschland bekannt geworden ist. 2006 wurde sie von Jamie Tworkowski gegründet. Sie trägt den Namen einer Kurzgeschichte, die Tworkowski über die 19-jährige Renee schrieb, die mit Depression, Drogensucht und Selbstverletzendem Verhalten zu kämpfen hatte. Hier findet ihr die Kurzgeschichte auf Deutsch und auf Englisch.

Die Organisation richtet sich an Menschen, die wie Renee an Depression, Sucht oder dem Drang zur Selbstverletzung oder zum Suizid leiden und vermittelt sie an Selbsthilfegruppen, Kliniken und Aufklärungszentren. Einnahmen werden durch den Vekauf von speziellen T-Shirts und Konzerten von Bands, welche die Organisation unterstützen, generiert. Musiker, die TWLOHA unterstützen, sind unter anderem Miley Cyrus, Amy Lee (Evanescence), Joaquin Phoenix, Skillet und Paramore.

Im Netz bekommt die Organisation großen Zuspruch. Ihre Facebookseite hat über 1,5 Mio Gefällt mir-Angaben, auf Twitter hat sie 279 000 Follower. 2013 tourte TWLOHA mit der Warped Tour durch Europa und dabei auch durch Deutschland.

Tworkowskis Kurzgeschichte wurde verfilmt und kommt noch dieses Jahr in die Kinos.
Einen ersten Eindruck bekommt ihr schonmal in dem Trailer.