Mit diesem Blogeintrag möchte ich einen kleinen Exkurs in die Melancholie machen. Ich habe schon oft gehört, dass die Depression in 20. Jahrhundert die Melancholie abgelöst hat. Melancholie wurde in 19. Jahrhundert nicht als Krankheit wahrgenommen, sondern eher als Gemütszustand bezeichnet. Vor allem die Romantiker Anfang/Mitte des 19. Jahrhunderts beschäftigten sich ausführlich mit den Motiven der Einsamkeit, Weltschmerz, Melancholie und Traurigkeit.
Laut Duden ist Melancholie ein „von großer Niedergeschlagenheit, Traurigkeit oder Depressivität gekennzeichneter Gemütszustand“.
Hier möchte ich euch nun zwei Kunstwerk vorstellen, die das Motiv der Melancholie verarbeiten.
Melencholia I ist ein Kuferstich des Nürnberger Künstlers Albrecht Dürer aus dem Jahr 1514. Das Werk ist eins seiner drei Meisterstiche. Die anderen beiden Bilder heißen Ritter, Tod und Teufel und Der heilige Hieronymus im Gehäus.
Eine Interpretation des Bildes ist, es als Allegorie der Melancholie und Depression zu sehen. Das Bild entstand zwischen den Epochen des Mittelalters und der Renaissance. Im Mittelalter war man der Ansicht, dass jeder Mensch von einem der vier Temperamente dominiert wird. Der Melancholiker stellt eines dieser vier Temperamente dar und man glaubte, dieser würde am ehesten dem Wahnsinn verfallen.
In der Renaissance hingegen wurde die Melancholie mit dem künstlerischen Genie in Verbindung gebracht. Die Melancholie ist dabei jedoch keinesfalls behindernd für den Künstler. Sie ist eher förderlich für den künstlerischen Prozess, da er Inspiration aus ihr schöpfen kann.
Über 300 Jare später nimmt der Dichter Gottfried Keller in der fünften Strophe seines Gedichts Melancholie auf den Stich Dürers Bezug:
Sei mir gegrüßt, Melancholie,
Die mit dem leisen Feenschritt
Im Garten meiner Phantasie
Zu rechter Zeit ans Herz mir tritt!
Die mir den Mut wie eine junge Weide
Tief an den Rand des Lebens biegt,
Doch dann in meinem bittern Leide
Voll Treue mir zur Seite liegt!
Die mir der Wahrheit Spiegelschild,
Den unbezwungnen, hält empor,
Daß der Erkenntnis Träne schwillt
Und bricht aus dunklem Aug hervor;
Wie hebst das Haupt du streng und strenger immer,
Wenn ich dich mehr und mehr vergaß
Ob lärmendem Geräusch und Flimmer,
Die doch an meiner Wiege saß!
Wie hängt mein Herz an eitler Lust
Und an der Torheit dieser Welt!
Oft mehr als eines Weibes Brust
Ist es von Außenwerk umstellt,
Und selbst den Trost, daß ich aus eignem Streben,
Was leer und nichtig ist, erkannt,
Nimmst du und hast mein stolz Erheben
Zu Boden allsobald gewandt,
Wenn du mir lächelnd zeigst das Buch
Des Königs, den ich oft verhöhnt,
Aus dem es, wie von Erz ein Fluch,
Daß alles eitel sei! ertönt.
Und nah und ferne hör ich dann erklingen
Gleich Narrenschellen ein Getön –
O Göttin, laß mich dich umschlingen,
Nur du, nur du bist wahr und schön! –
Noch fühl ich dich so edel nicht,
Wie Albrecht Dürer dich geschaut:
Ein sinnend Weib, von innerm Licht
Erhellt, des Fleißes schönste Braut,
Umgeben reich von aller Werke Zeichen,
Mit milder Trauer angetan;
Sie sinnt – der Dämon muß entweichen
Vor des Vollbringens reifem Plan
In der letzten Strophe erkennt man, dass auch hier die Melancholie als wichtiger Teil des künstlerischen Schaffensprozess gesehen wird.
Diese romantische Form der Melancholie, wie sie gerne in Kunst und Literatur der vergangenen Jahrhunderte dargestellt wird, hat nun nichts mehr mit dem heutigen Verständnis der Krankheit Depression zu tun.